Der Spiegel berichtet über Pläne zur Einführung eines gemeinsamen Systems aller deutschen Mobilfunkanbieter. Das System soll eine Art Buttonlösung sein, die Anbieter von Hanyklingeltönen etc. sollen ein extra Fenster mit den wesentlichen Vertragsinformationen vorschalten.
Hört sich ja erstmal enorm verbraucherfreundlich an, den Anbietern, die sicherlich nicht alle betrügerische Absichten haben, bürdet es eine zusätzliche bürokratische Hürde auf, gegen die sie sich kaum wehren können.
Ich wundere mich nur etwas, dass bisher nirgends das kartellrechtliche Glöckchen geklingelt hat. Da tun sich ALLE deutschen Mobilfunkanbieter zusammen und schreiben einem KOMPLETTEN nachgelagerten Markt Bedingungen vor. Wenn der Staat sowas macht, mag das zwar nicht immer über jeden Zweifel erhaben sein (siehe Buttonlösung), immerhin ist so etwas aber exklusive Aufgabe des Staates. Im Umkehrschluss haben die Unternehmen keine Bedingungen in dieser Weise zu diktieren. Die Anbieter auf dem nachgelagerten Markt haben keinerlei Möglichkeiten, sich dem zu entziehen oder Alternativmethoden zu nutzen.
Und wo genau soll dadurch der Wettbewerb beschränkt sein?
AntwortenLöschenFrage ich mich auch.
AntwortenLöschenDer Button soll nicht alles regulieren oder alles betreffen sondern nur die Dienste die bei den Mobilfunkanbietern über die Telefonrechnung abgerechnet werden.
Und wenn Firmen - weil es ja so einfach ist darüber das Geld einzuziehen - diesen Dienst der Mobilfunkanbieter nutzen, können die Mobilfunkanbieter dafür auch Beschränkungen festlegen.
Der Pizzadienst kann auch festlegen das jeder der seine Pizza verkauft vorher sich per ID ausweisen muss.
Auch nicht wettbewerbswidrig.
Die Idee ist gut, kommt weil die Anbieter nur noch mit dieser Abrechnungsform Probleme haben (Zu viele Betrugsfälle durch die Ads in Smartphoen Apps), es betrifft nur den eigenen Zuständigkeitsbereich und für alle (außer natürlich die betroffenen Firmen) ist es ein echter Mehrwert.
Praktisch werden derartige Dienste wohl fast ausschließlich über die Telefonrechnung bezahlt, echte Ausweichmöglichkeiten bestehen also nicht.
AntwortenLöschenDie Anbieter werden in der Art ihrer Dienstleistungspräsentation eingeschränkt, da sie einen festen Bestandteil, der nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, zwingend verwenden müssen.
Ein etwas krasseres Beispiel für ein ähnliches Vorgehen ist die Preisparitätsklausel von Amazon, die die an die Plattform letztlich wirtschaftlich gebundenen Anbieter (wegen Marktmacht) dazu zwingt, ihr Auftreten am Markt nach den Vorgaben zu gestalten.
Man muss hier nicht unbedingt die Schwelle zur Wettbewerbsbeeinträchtigung als überschritten sehen, schlecht riechen tut es aber auf jeden Fall.
Der Pizzadienst kann natürlich im Einzelfall eine Identifikation verlangen, allerdings glaube ich nicht, dass alle Pizzakartonlieferanten zusammen den Pizzadiensten vorschreiben dürften, dass diese immer eine Identifikation fordern müssen oder nurnoch Bio-Zutaten (weil eventuell sicherer für den Verbraucher) verwenden dürfen.
Unbestritten gibt es ein Sicherheitsproblem, dies Verursachen jedoch einzelne schwarze Schafe und niemand würde sich beschweren, wenn die Mobilfunkanbieter bei gehäuften Beschwerden ihre Dienste für diese Anbieter ganz einstellen. Den Aufwand dafür wälzen die Mobilfunkunternehmen so einfach auf alle Anbieter ab.
Ich sehe die Wettbewerbsbeschränkung immer noch nicht.
AntwortenLöschenSie schreiben: "Die Anbieter werden in der Art ihrer Dienstleistungspräsentation eingeschränkt, da sie einen festen Bestandteil, der nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, zwingend verwenden müssen."
Genau das ist aber z.B. bei qualitativ-selektiven Vertriebssystemen auch der Fall. Und diese fallen auch nicht unter Art. 101 AEUV.
"Genau das ist aber z.B. bei qualitativ-selektiven Vertriebssystemen auch der Fall. Und diese fallen auch nicht unter Art. 101 AEUV."
AntwortenLöschenUnd wieso braucht es dann dafür eine GVO bzw einen Ausnahmetatbestand? - Genau, weil es grundsätzlich eben doch darunter fällt - es ist halt im Endeffekt nur nicht rechtswidrig.
@Anonym 23:18
AntwortenLöschenNein. Für qualitativ-selektive Vertriebssysteme braucht es weder eine GVO noch einen "Ausnahmetatbestand".
Vielmehr erfüllen qualitativ-selektive Vertriebssysteme schon gar nicht den Tatbestand der Wettbewerbsbeschränkung (vgl. EuGH Slg. 1977, 1875 - Metro/SABA).
Lediglich quantitativ-selektive Vertriebssysteme unterfallen Art. 101 AEUV und bedürfen ggf. der Freistellung nach GVO bzw. Art. 101 III AEUV.
@John Doe
AntwortenLöschenIn Metro II scheint der EuGH sich das aber anders überlegt zu haben:
"Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann eine Beschränkung des Wettbewerbs durch qualitativ-selektive Vertriebssysteme trotz Einhaltung der oben erörterten Anforderungen dann entstehen, wenn die Zahl solcher Systeme keinen Raum mehr für Vertriebsformen lässt, denen eine andere Wettbewerbspolitik zugrunde liegt, oder wenn sie zu einer Starrheit der Preisstruktur führt, die nicht durch andere Faktoren des Wettbewerbs zwischen Erzeugnissen derselben Marke oder durch das Bestehen eines echten Wettbewerbs zwischen verschiedenen Marken aufgewogen wird (EuGH Slg. 1986, 3021 – Metro II )" (Quelle: OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.11.2009, 6 U 47/08)
@Anonym 00:10
AntwortenLöschenAuch das ist leider nicht korrekt bzw. nicht auf vorliegenden Fall anwendbar.
In Metro II wurde nämlich festgestellt, dass die eben von Ihnen genannten Kriterien dazu führen müssen, dass der Wettbewerb ausgeschaltet (!) wird. Dies ist aber in vorliegendem Fall nicht gegeben. Alle Anbieter von Klingeltönen müssen den "Infobildschirm" einführen, diess hat auf den Wettbewerb zwischen den Klingeltonanbieter aber keinerlei Einfluss.
So sieht das auch das EuG (in Bezug auf Metro II):
"Nach den Randnummern 41 und 42 des Urteils lässt jedoch allein das Bestehen einer grossen Zahl selektiver Vertriebssysteme für ein bestimmtes Erzeugnis nicht den Schluß zu, daß der Wettbewerb im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 beschränkt oder verfälscht ist. Bei einer Erhöhung der Zahl der "einfachen" selektiven Vertriebssysteme ist Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag nämlich nur anwendbar, wenn der relevante Markt schon so starr und strukturiert ist, daß ein wirksamer Preiswettbewerb nicht mehr besteht (vgl. auch Randnrn. 44 und 45 dieses Urteils). [...] Unter diesen Umständen bedeutet nach Auffassung des Gerichts der Hinweis im Urteil Metro II auf die Ausschaltung des Wettbewerbs, wenn "die Zahl dieser Systeme keinen Raum mehr für Vertriebsformen lässt, denen eine andere Wettbewerbspolitik zugrunde liegt", keineswegs, daß Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag automatisch allein deshalb anzuwenden wäre, weil sich alle Hersteller von Luxuskosmetika bei der Wahl ihrer Vertriebsmethoden gleich entschieden haben. Im vorliegenden Fall sind die Randnummern 40 bis 46 des Urteils Metro II so auszulegen, daß die kumulierende Wirkung anderer Vertriebssysteme an dem Ergebnis, daß bestimmte Auswahlkriterien von Yves Saint Laurent für sich genommen nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fallen, nur dann etwas ändern kann, wenn nachgewiesen wird, daß erstens Hindernisse für den Zugang neuer Mitbewerber zum Markt bestehen, die zum Verkauf der betreffenden Produkte in der Lage sind, so daß die betreffenden selektiven Vertriebssysteme den Vertrieb zugunsten bestimmter bereits bestehender Vertriebswege abschotten (vgl. Urteil Delimitis, a. a. O., Randnrn. 15 ff.), oder daß zweitens wegen der Natur der betreffenden Produkte ein wirksamer Wettbewerb insbesondere bei den Preisen nicht besteht. "
(vgl. EuG T-19/92. vom 12.12.1996, Rn. 179, 182; abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:61992A0019:DE:NOT)
@John Doe
AntwortenLöschenBei dem von Ihnen zitierten Ausschnitt geht es darum, dass jeder Hersteller zufällig ähnliche Vertriebsbeschränkungen einführt.
Ich nehme an, dass es in dem Klingelton-Fall durchaus eine Rolle spielt, dass die Mobilfunkanbieter sich zusammen tun (also Absprachen treffen) und so die Handlungsfreiheit der Klingelton-Anbieter einschränken. Letztendlich läuft es dann darauf hinaus, dass es keinen Raum mehr für Vertriebsformen lässt, die eine andere Wettbewerbspolitik zulassen.
Ich sage ja nicht, dass jedes Vertriebssystem unter Art. 101 Abs. 1 fällt - aber die Möglichkeit besteht meiner Meinung nach bei jedem Vertriebssystem. Außerdem ist es ja hier nicht nur die vertikale Vereinbarung, sondern vor allem auch die horizontale Abstimmung zwischen allen Mobilfunkanbietern...
Eine horizontale Vereinbarung liegt natürlich vor, aber diese beschränkt ja den Wettbewerb zwischen den Mobilfunkanbietern in keiner Weise (darüber hinaus beschränkt sie auch nicht den Wettbewerb zwischen Unternehmen auf dem nachgelagerten Markt).
AntwortenLöschenLesen Sie mal BGH GRUR 2004, 966 - Standard-Spundfaß. Dort lag ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde: Man einigte sich horizontal darauf, nur noch Fässer abzunehmen, die eine bestimmte Qualität aufwiesen. Der Clou dort war sogar, dass diese "bestimmte Qualität" zunächst sogar nur von einem Anbieter geliefert werden konnte, da dieser ein Patent darauf hatte (wenngleich er dann Zwangslizenzen vergeben musste). Aber dennoch wurde dort die Übereinkunft, ab jetzt nur noch Fässer mit vorgegebenen Merkmalen zu kaufen, nicht beanstandet.
Dort war es also auch so, dass es darauf hinauslief, dass kein Raum für andere Fässer verblieb, da sich die potentiellen Abnehmer auf einen gemeinsamen Standard geeinigt hatten.
Und damit soll es das von meiner Seite aus auch gewesen sein.