Dienstag, 21. Dezember 2010

Gegen die Sozialisierung unternehmerischer Risiken – Gegen ein neues Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse

Die Unterstützung der Automobilindustrie durch die Abwrackprämie war teuer und überflüssig. Die Absprachen zur Laufzeitverlängerung mit der Atomindustrie waren skandalös. Die Einführung eines neuen Leistungsschutzrechtes schlüge dem Fass den Boden aus.

Die Politik in Deutschland scheint völlig die Bodenhaftung zu verlieren. Man verabschiedet sich nicht nur immer weiter von den Interessen der Wähler zu Gunsten der Interessen einzelner wirtschaftlicher Lobbyverbände, sondern offenbar auch vom Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft. Staatliche Eingriffe, die weder dem freien Leistungswettbewerb, noch der sozialen Komponente dienen, sondern nur einzelne Wirtschaftszweige privilegieren, zeugen von der Korrumpierung des Systems. Derzeit stehen also die Presseverlage an der Selbstbedienungstheke, um sich ein eigenes Leistungsschutzrecht zu kaufen.

Was ist das Leistungsschutzrecht?

Ein Leistungsschutzrecht ist die staatliche Zuordnung eines Rechts zu einem Subjekt. Damit wird etwas bisher Ungeschütztes, also von jedermann frei Nutzbares für die Erbringer bestimmter Leistungen monopolisiert. Dies soll in der Regel die Erbringung derartiger Leistungen fördern. Bestes Beispiel hierfür ist das Patent. Würde der Staat hier kein Patentrecht gewähren, hätte der Erfinder kein Interesse daran, seine technischen Fortschritte zu veröffentlichen, sondern wäre um Geheimhaltung bemüht. Im Interesse des Gesamtfortschrittes, ist es jedoch von Vorteil, wenn der Stand der Forschung als Ausgangspunkt bekannt ist.

Mit ihrem Presseleistungsschutzrecht, wollen die Verlage sich ein eigenes Recht geben lassen. Bisher fallen Presseartikel in der Regel unter das Urheberrecht. Dieses liegt beim Schöpfer des Presseerzeugnisses, z.B. dem Redakteur. Die Verlage müssen sich die leistungsschutzrechtlichen Komponenten des Urheberrechts per Lizenz einräumen lassen, was regelmäßig auch (z.B. im Arbeitsvertrag) geschieht. Beruft sich ein Verlag in einem Rechtstreit auf dieses Recht, so muss er es nachweisen, was im Einzelfall mit einem gewissen Aufwand verbunden sein kann. Daher möchten die Verlage ein eigenes Recht per Gesetz.

Das Urheberrecht ist außerdem in seinem Umfang begrenzt. Zum einen muss ein Erzeugnis eine gewisse Schöpfungshöhe aufweisen, zum anderen gibt es eine Reihe von Schranken, wie etwa die Zitierfreiheit oder die Privatkopie. Kleine Textfetzen und kurze Auszüge aus einem Presseartikel sind in der Regel schon nicht schutzfähig. Genau mit diesen Schnipseln, so genannten Snippets, arbeiten jedoch Google-News und Andere. Das neue Leistungsschutzrecht soll auch diese erfassen. Damit werden schon kurze Wortfolgen monopolisiert. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass man nicht mehr weiß, welche Wortfolgen man noch gefahrlos benutzen kann.

Dritter Bestandteil des neuen Leistungsschutzrechtes soll eine Vergütungspflicht für die gewerbliche Nutzung, also schon das Lesen zu geschäftlichen Zwecken sein. Wenn z.B. Unternehmer für die Einschätzung eines Konkurrenten oder Geschäftspartners über Suchmaschinen auf Presseerzeugnisse zurückgreift, soll er dafür zahlen. Dafür soll eine neue Verwertungsgesellschaft gegründet werden. Wie man sich die Durchsetzung einer derartigen Vergütungspflicht ohne eine Umfassende Überwachung aller Nutzer vorstellt, wird leider bisher nicht gesagt. Das Recht würde wohl in jedem Falle zum Papiertiger verkommen und nur für rechtliche Streitereien, an denen außer den Anwälten niemand verdient, führen.

Es geht nur ums liebe Geld

Das Recht soll Geld bringen. Die Verlage prophezeien den Untergang des Abendlandes – beziehungsweise der Pressevielfalt - wenn sie ihre angeblichen Finanzierungslücken nicht über das Leistungsschutzrecht schließen können. Sie fühlen sich von Suchmaschinen und Nachrichtenportalen wie Google-News ausgebeutet, da diese mit ihren Inhalten Geld verdienen würden. Die Verlage haben den Sprung ins Internet verschlafen und auch wenn dieser Geschäftsbereich sehr schnell wächst, werden nicht alle Verlage damit sofort schwarze Zahlen schreiben. Dennoch stehen die Verlage nicht vor dem Ruin. Selbst wenn es die großen Presseverlage plötzlich nicht mehr gäbe, würden natürlich nicht weniger Presseerzeugnisse angeboten, der Markt würde nur kleinteiliger werden, was einen besseren Leistungswettbewerb und damit steigende Qualität bedeutet.

Fazit

Wir brauchen kein derartiges Leistungsschutzrecht und die Presseverlage werden davon auch nicht alle sterben. Eine Veränderung der Marktstrukturen, auch zu Ungunsten der Verlage, bedeutet nicht das Ende der Pressevielfalt. Für ein Leistungsschutzrecht fehlt damit die Rechtfertigung. Niemand kann ernsthaft eine private GEZ der Verlage wollen.

Entgegen jeder Vernunft, ist die Einführung des Leistungsschutzrechtes im Koalitionsvertrag enthalten. Daher müssen wir alle aktiv werden, um es zu verhindern.

Leseempfehlung

Zur weiterführenden Information kann ich den (natürlich von wirtschaftlichen Interessen mitgetragenen) Artikel von Dr. Arnd Haller, Chefjustiziar Google Nord- und Zentraleuropa auf Telemedicus empfehlen. Außerdem hat der Widerstand ein eigenes Portal unter leistungsschutzrecht.info (IGEL - Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht). Wer seine Suchmaschine bedient, wird viele weitere kritische Artikel zu dem Thema finden.

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