Mittwoch, 17. November 2010

Jura offensiv studieren!

Wenn ich in der Schule etwas gelernt habe, dass das aktive mündliche Beteiligung einen voranbringt. In der Schule gibt es noch mündliche Noten, so dass ein direkter Anreiz für eine derartige Teilnahme besteht. Dieser Anreiz fehlt im Jurastudium völlig.

Entsprechend laufen die allermeisten Vorlesungen ab. Über 95 % der Vorlesungsteilnehmer der großen Vorlesungen in den ersten Semestern melden sich nicht freiwillig zu Wort. Dabei kann man den meisten Professoren nicht vorwerfen, dass sie Wortmeldungen nicht zulassen oder negativ darauf reagieren. Die meisten gestalten die Vorlesung so, dass eine gewisse Mitarbeit durchaus gefordert wird. Die Resonanz darauf ist selten gut. Entweder der Saal schweigt den Professor nach einer Frage an, oder es gibt immerhin ein paar mutige Studenten, die sich beteiligen. Das ist dann aber immer dieselbe Handvoll.

Genau diese haben aber durch ihr Verhalten und Auftreten große Vorteile, so dass ich allen Studenten, gerade am Anfang des Studiums eine offensive Beteiligung auch in den Vorlesungen ans Herz legen möchte.

Wenn man schon in die Vorlesung geht, sollte man die Zeit möglichst sinnvoll nutzen. Das heißt natürlich nicht SMS schreiben oder Zeitung lesen, wie es das juristische Gedankenkonvolut aus Sicht der Lehre beschrieben hat. Auch ich habe schon Kommilitonen beim Zeitunglesen oder beim Austausch der Wochenenderlebnisse beobachtet. Wer nicht in die Vorlesung kommt, um etwas zu lernen, der geht besser einen Kaffee trinken. Das ist wesentlich gemütlicher, stört die Kommilitonen nicht, verärgert den Dozenten nicht und man lügt sich nicht in die eigene Tasche, dass man ja immer in den Vorlesungen gewesen ist.

Einfach nur anwesend sein und zuhören ist da schon eine Stufe effektiver. Allerdings wird man sich nicht die ganze Zeit konzentrieren können und nur recht wenig behalten.

Aus meiner Sicht ebenfalls Energieverschwendung, aber wohl lerntypabhängig, ist das Mitschreiben während der Vorlesung. Dadurch folgt man der Vorlesung im wahrsten Sinne des Wortes, indem man das gesagte nachvollzieht und niederschreibt. In einzelnen Vorlesungen und anderen Studienfächern man das sinnvoll sein, um den Stoff später nacharbeiten oder für eine Klausur lernen zu können. In Jura gibt es aber zum Glück zu nahezu allen Gebieten aktuelle Lehrbücher, Skripten, Kommentare, Aufsätze etc.

Am meisten Gewinn zieht man aus der Vorlesung, wenn man mit und am besten voraus denkt. So muss man die Informationen nicht als Faktenaneinanderreihung aufnehmen und auswendig lernen, sondern man kann sie systematisch begreifen und sich logisch erschließen. Das erleichtert das merken und schult gleichzeitig das analytische Denken, die Problemvernetzung und das juristische Problembewusstsein. Denkt man sogar ein Stück voraus, erschließt man sich den Stoff teilweise sogar selber und erhält nur eine Bestätigung, Korrektur oder weitere Meinung vom Dozenten.

Die absolute Krönung ist es dann, sich mit den eigenen Gedanken einzubringen und sich selbst zu begeistern. Ich habe festgestellt, dass selbst eine ZPO-Vorlesung spannend sein kann, wenn man sich praktische Anwendungsfälle und Probleme überlegt, die mit dem gerade gehörten zusammenhängen könnten. Häufig zielen die Fragen des Dozenten genau auf diese Folgeproblematiken oder eine Verknüpfung mit anderen Sachverhalten ab. Beteiligt man sich und meldet sich möglicherweise sogar von sich aus zu Wort, bringt man die Vorlesung häufig voran und macht auch mit falschen Antworten auf mögliche Fehlschlüsse aufmerksam, die viele Kommilitonen ebenfalls gezogen hätten.

Man ist außerdem gezwungen, sich permanent zu konzentrieren, was einem dann aber nicht mehr schwer fällt. Mitunter baut der Dozent auch eine Art Erwartungshaltung auf, wenn er ein Gesicht erstmal kennt. Auch das motiviert und zwingt einen zum weiteren Anstrengen der grauen Zellen.

Neben der Steigerung der Lerneffizienz während der Vorlesungszeit, verbessert man auch sein rethorisches Geschick und lernt juristische Argumente klar verständlich und logisch strukturiert in kurzen Wortmeldungen darzustellen.

Beteiligt man sich regelmäßig, werden die meisten Dozenten sich das Gesicht merken und einen als Bezugsperson in der anonymen Masse des Auditoriums sehen. So kann man auch im Massenbetrieb des staatlichen Jurastudiums Kontakt zu den Professoren aufbauen.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass das wirklich gut funktioniert und schneller Früchte tragen kann, als man vermutet. So wurde mir schon wenige Wochen nach Vorlesungsbeginn eine HiWi-Stelle angeboten. Soweit später die Examensergebnisse zufrieden stellend sind, öffnet der nähere Kontakt auch durchaus die Tür zu einer gut betreuten Promotion. Man sollte den Kontakt in die Lehre also auch aus diesem Grund nicht unterschätzen.

 

Mit der beschriebenen Vorgehensweise sind natürlich auch einige Nachteile verbunden, die ich nicht verschweigen will.

Wie auch in der Schule hat man schnell den Ruf eines Strebers weg. Da man sich an der Uni aber mehr aussuchen kann, mit wem man seine Zeit verbringt und den anderen besser aus dem Weg gehen, muss das nicht allzu sehr stören.

Nicht nur die Professoren merken sich das Gesicht, bald ist man bekannt wie in bunter Hund und hat man eine HiWi-Stelle wird man auch schnell zum Gegenstand von Klatsch und Tratsch an den Lehrstühlen.

Einige Kommilitonen könnten sich durch häufige Wortmeldungen in der Vorlesung gestört fühlen, insbesondere, wenn man Probleme anspricht, die der Professor im Rahmen der Vorlesung eigentlich nicht vorgesehen hat, wenngleich sie interessant sind. Es bietet sich an, Rücksicht zu nehmen und offensichtlich weiterführende Fragen nach der Vorlesung direkt an den Dozenten zu richten. Die meisten nehmen sich dafür gern ein paar Minuten Zeit, ehrliches Interesse von Studenten ist schließlich für sie auch eine Selbstbestätigung. Auch hier intensiviert man wieder den persönlichen Kontakt.

 

All die klugen Ratschläge sind jedoch nur dann praktikabel, wenn man es schafft, sich für die Materie zu interessieren und zu begeistern. Das Eine bedingt dabei aber das andere. Schließlich sind gute Wortmeldungen und richtige Ideen sowie Anerkennung durch die Dozenten durchaus Erfolgserlebnisse, die einen motivieren können, den Weg fortzuführen.

 Angeblich soll es dem Jurastudium übrigens förderlich sein, wenn man auch über die Vorlesung hinaus lernt und nicht, wie in der Schule, den Rest der Zeit komplett anderen Beschäftigungen widmet. Ein wenig Selbstdisziplin kann also ebenfalls nicht schaden, spätestens in der Examensvorbereitung kommt man am Lernen ohnehin nicht mehr vorbei.

Von den damit verbundenen Erfahrungen werde ich im Laufe des nächsten Jahres aus eigener Anschauung berichten.

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